Mit seinem Auschwitz-Diskurs legt Jean Améry (1912-1978) der westdeutschen Nachkriegsliteratur und Erinnerungskultur ein einzigartiges Fundament. Er schreibt über Auschwitz wie über ein Phänomen, das nur über die körperliche Erinnerung der jüdischen Nazi-Opfer an die erlebte Vernichtung erfasst werden kann. Seine Werke entfalten eine philosophische Theorie der Moral nach Auschwitz, eine Ethik der Erinnerung.
Sylvia Weiler untersucht diese Ethik erstmalig in ihren phänomenologischen Bezügen anhand aller Essay-Bände Jean Amérys, die zwischen seinem Eintritt in den westdeutschen Literaturbetrieb 1966 und seinem Freitod 1978 entstanden sind. Zudem vollzieht sie die Genese dieser Ethik vor dem Hintergrund der Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts nach, wozu sie sämtliche Arbeiten aus dem Améry-Nachlass auf ihren erinnerungspolitischen Gehalt hin analysiert: jene Texte, die er zur Zeit seiner schriftstellerischen Anfänge im Wien der dreißiger Jahre schrieb und jene aus dem unmittelbaren Nachkrieg. Die Einzig- und Neuartigkeit von Amérys Erinnerungsdiskurs verdeutlicht ein Vergleich mit dem Auschwitz-Diskurs Theodor W. Adornos, der als philosophischer Begründer der Nachkriegsliteratur gilt.
Sylvia WeilerSylvia Weiler, geb. 1977, ist Gymnasiallehrerin und Literaturwissenschaftlerin. Veröffentlichung u.a.: Jean Amérys erinnerungspolitische Kritik an Hannah Arendt, in: Gedächtnis und Widerstand (Hg. zus. mit Mireille Tabah und Christian Poetini, 2009). ...
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