Literarisches Übersetzen als Aufführung oder Darstellung - wie weit führt dieser Gedanke?
»Es sich schwer machen und dann die Täuschung der Leichtigkeit darüber breiten das ist das Kunststück, welches sie uns zeigen wollen.« Was Nietzsche über die griechischen Künstler und Dichter sagt, trifft auch auf die Arbeit von Schauspielern, Musikern und Übersetzern zu. Sie alle wissen, was es heißt, wenn etwas nach langem Üben und Probieren endlich »stimmt«. Gemeinsam ist ihrer Arbeit die Interpretation eines Textes, der sich in einem nachschöpferischen Prozeß in etwas anderes verwandelt: in die Darstellung auf der Bühne, in eine Studioeinspielung, in ein Buch.
Dass Sprechkunst und Klangkunst, die stimmliche Darstellung von Texten und musikalische Aufführung sich als Übersetzungen einer Notation in einen zeitlichen Verlauf fassen lassen, leuchtet unmittelbar ein. Die Resultate, greifbar in Tondokumenten, sind Gegenstand der Interpretationsgeschichte, wie die Übersetzungen kanonischer Texte auch.
Übersetzer, Musiker und Theaterleute, Musik- und Literaturwissenschaftler, Philosophen und Theologen denken nach über die Unausschöpfbarkeit des Originals und den Weg zur eigenen Interpretation, über den vielfältigen Zwang und die kreative Lücke, über große Verantwortung und kleine Freiheiten.
Inhaltsverzeichnis
Zur Einführung
Olga Radetzkaja
Übersetzen als reproduktive Kunst. Theorieansätze bei Jin Levy, Efim Etkind und anderen
Dörte Schmidt
Salieri übersetzt Mozart - Cage übersetzt sich selbst
Gabriele Leupold
Ketten und Spielraum. Entscheidungen beim Übersetzen
Stefan Litwin
Übersetzen am Klavier
Klaus Reichert
Lesen - Hören - Übersetzen. Vom Zählen und Klingen
Reinhard Kaiser
Was tut der Übersetzer, wenn er sich auf seinen Text einläßt?
D∂evad Karahasan
Bemerkungen zur Schauspielkunst
Reinhart Meyer-Kalkus
Koordinaten literarischer Vortragskunst. Goethe-Rezitationen im 20. Jahrhundert
Reinhard Kapp
Partiturbild und Notentext, übersetzt in Klang.
Zur musikalischen Aufführung
Matthias Vogel
Performatives Verstehen
Markus Barth
Mir geschehe nach deinem Wort − Interpretation als existentielle Entscheidung
Auswahlbibliographie
Auf der der (vergriffenen) Print-Ausgabe beigelegten Audio-CD:
Klangbeispiele: Goetherezitationen des 20.Jahrhunderts (Prometheus und Erlkönig); Sätze aus Schuberts Klaviersonate G-Dur D 894
Gabriele LeupoldGabriele Leupold studierte Slawistik und Germanistik, sie ist Übersetzerin aus dem Russischen (u.a. Belyj, Mandelstam, Pasternak, Sorokin, Mamlejew, Schalamow). Für ihre Werke erhielt sie u. a. den Paul-Celan-Preis und den Johann-Heinrich-Voß-Preis.
mehrKatharina RaabeKatharina Raabe, Lektorin im Suhrkamp Verlag Berlin, kümmert sich seit vielen Jahren um die Entdeckung und Durchsetzung osteuropäischer Autoren und Themen im deutschsprachigen Raum.
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