Nachdem heute Dichter wie Karl Wolfskehl oder Ludwig Derleth als Erscheinungen eigenen Gepräges im Rahmen des Blätter-Kreises gewürdigt werden, erhebt sich die Frage, ob nicht auch andere Beiträger - die sogenannten George-Epigonen - bei näherem Zusehen ein schärferes Profil gewönnen.
Lothar Treuge (1877-1920), der Theologie, dann Naturwissenschaften studierte, Privatunterricht in Griechisch und Latein erteilte, und zuletzt Lehrbücher der Mathematik herausgab, erweist sich als ein Blätter-Dichter sonderlichen Schlags. Von der V. bis zur IX. Folge war er in den Blättern für die Kunst mit Versen vertreten. Innerhalb weniger Jahre veröffentlichte er drei Gedichtbände: Der Traum der Trennung (1902), Huldigungen (1908) und Ars Peregrina (1912); ebenfalls 1912 noch die Prosadichtungen Aus den Erlebnissen eines Liebling der Grazien. Dann hörte Treuge von einem Tag auf den andern auf zu dichten. Er wurde Wohlfahrtsbeamter und sorglicher Familienvater. Stefan George hat diesen schwarzen Romantiker in seinen einsamsten Winkeln immer wieder aufgesucht und ging jahrelang gern bei ihm aus und ein.
Lothar Treuge galt schon zu Lebzeiten öfters als »verschollen« und ist heute völlig in Vergessenheit geraten.
Karlhans Kluncker, einem Germanisten der jungen Generation, ist es gelungen, das in Archiven verstreut Bewahrte zu sammeln und mit Hilfe der Erben zur ersten Gesamtdarstellung zu vereinen, die zum 50. Todestag des Dichters erscheint. Kaum ein Brief, kaum eine Photographie ist erhalten. Wohl fand sich, neben anderen Nachlassversen, der bereits 1903 in den Blättern für die Kunst angekündigte, dann - aus welchem Grund immer - nicht erschienene Zyklus Die Wunder zwischen Reif und Grauen, dessen 27 Gedichte hier erstmals publiziert werden.
Aus dem Inhalt: Einführung in Leben und Werk. Bibliographie. Auswahl gedruckter Verse. Unveröffentlichtes. Aus dem Nachlass. Verantwortung. Schriftprobe. Porträtstudie Melchior Lechters.
Publikation der Stiftung Castrum Peregrini, bereits 1971 in Amsterdam erschienen.
www.castrumperegrini.org