Stimmt es, dass mit Georges »Hymnen« schlagartig die Moderne in der deutschen Dichtung beginnt? Wenn ja, dann nicht ex nihilo, wie von George und seinem Kreis gerne suggeriert, sondern motiviert durch die antimoderne Destruktion eines unabweisbaren Vorbilds: Charles Baudelaires »Les Fleurs du Mal«.
Maik Bozza rekonstruiert die poetologische Experimentierphase Georges, die vom Beginn der Umdichtung Baudelaires im Jahr 1889 bis zum Erscheinen der »Hymnen« Ende 1890 reicht. So unsicher und ästhetisch offen der junge Lyriker in dieser Zeit auch noch tastet, er hat doch bereits ein entschiedenes Movens: Immer wieder auf Baudelaires Gedicht »À une Passante« zurückkommend und flankiert von Interpretationen zu Ovids »Narziß und Echo«-Mythe widersetzt sich George beinahe manisch einer mit der Unterwerfung durch weibliches Begehren identifizierten höheren Inspiration und entwirft eine Poetik, die seine Dichtung auf die Beglaubigung im homoerotischen Blickbund gründet.
Maik BozzaMaik Bozza, geb. 1978, studierte Neuere deutsche Literatur, Philosophie und Rhetorik in Tübingen. Von 2005 bis 2007 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, zunächst am Deutschen Seminar der Universität Tübingen, von 2007 bis 2014 dann am Stefan George ...
mehr