Seit Platon kennt die Dichtung die Palinodie als Form des poetischen Widerrufs. Sie erscheint vor allem deswegen bemerkenswert, weil sie im Gegensatz zu Widerrufsstrafen nicht erzwungen ist, sondern auf Freiwilligkeit beruht. Wieso lässt man sich auf Selbstkorrekturen ein, was leisten sie poetologisch, epistemisch und ethisch? Der Essay verfolgt diese Fragen vor dem Hintergrund der antiken Muster aus germanistischer Perspektive vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Schreibweisen, die Dichtung im Wechselspiel von Irrtum, Missverständnis und Selbstkorrektur hervorgebracht hat, begründen dabei eine Kunstform, die gleichermaßen ästhetisch fasziniert und hermeneutisch lehrreich ist.
Jörg WescheJörg Wesche, geb. 1971, ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen mit Forschungsschwerpunkten im Bereich der Literatur und Kultur der Frühen Neuzeit, des modernen Dramas, literarischer Mythen- und Wissenschaftsrezeption, ...
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