Was muss man wissen, um Gedichte zu verstehen? Diese Frage hat man angesichts von Paul Celans Werk immer wieder gestellt. Diese Studie geht sie erneut an und schlägt als Antwort eine »Hermeneutik des Überschusses« vor. Illustriert wird diese interpretatorische Vorgehensweise anhand von Celans Gedicht »Schwanengefahr«. Eine knappe Erläuterung des Gedichts, die Celan selbst brieflich vorgelegt hat, dient dafür als Ausgangspunkt. Sie bietet zugleich die Grundlage für die Untersuchung des erkenntnis- und kunsttheoretischen Gehalts von Celans Schreiben, das Phänomenologie und Theologie miteinander verwebt. Die Arbeit liefert dabei einen neuen Zugang zu Celans Büchner-Preis-Rede »Der Meridian«. Nicht zuletzt mittels der Auswertung von Lesespuren in Celans Nachlass-Bibliothek wird seine Rezeption verschiedener erkenntnistheoretischer Positionen, von Pascal und ?estov bis hin zu Husserl und Lukács, aufgezeigt.
Der traditionellen philosophischen Entgegensetzung von Licht und Dunkel, leicht und schwer Verständlichem, die noch im Zentrum der »Meridian«-Rede stand, weicht im Laufe der 60er Jahre dem Begriff des Opaken: beschattet und Schatten spendend, bietet das Gedicht kraft seiner Undurchsichtigkeit Zuflucht.
Chiara CaradonnaChiara Caradonna, geb. 1986, ist Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin. Sie hat in Heidelberg promoviert und ist seit dem Sommer 2021 Senior Lecturer (Assistant Professor) am Institut für Romanistik der Hebräischen Universität, Jerusalem.
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