Die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft gilt als geprägt von autoritären Traditionen, von einem Defizit demokratischer Kultur und Erziehung. Nach gängiger Vorstellung befreite sie sich nur allmählich von autoritären Verhaltensmustern und kam so erst vergleichsweise spät kulturell im Reigen der westlichen Demokratien an, dem Frankreich längst angehörte.
Sonja Levsen erzählt aus dem deutsch-französischen Vergleich eine ganz andere Geschichte: eine Geschichte, die keine Vorreiter und Nachzügler kennt, sondern nur sehr unterschiedliche Deutungen des Verhältnisses von Erziehung und Demokratie. Sicher, von der Schulkultur über Körperstrafen bis hin zum Umgang mit jugendlicher Sexualität verband manches beide Gesellschaften, mehr aber trennte sie: Überraschend ist, wie sehr Erziehung bis in den Alltag hinein von nationalen politischen Kontexten geprägt wurde und auf welchen Wegen Vergangenheiten in die Gegenwart hineinwirkten. Das zeigt sich besonders deutlich am Ereignis »1968«, das für Deutschland und Frankreich ganz Unterschiedliches bedeutete.
Sonja LevsenPD Dr. Sonja Levsen, geb. 1976, ist Dilthey Fellow an der Universität Freiburg.
Veröffentlichung u. a.: Elite, Männlichkeit und Krieg. Tübinger und Cambridger Studenten, 1900-1929 (2006).
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