Während der gesamten chinesischen Kaiserzeit genoss die Lyrik unter allen literarischen Gattungen die höchste Wertschätzung. »Nichts kommt der Dichtung gleich, sie allein vermag das Universum zu bewegen und die Götter anzurühren«, betonte eine poetologische Schrift bereits im Jahre 515.
Immer wieder wurde in den überlieferten Texten die Freundschaft thematisiert, und es gab kaum einen bedeutenden Dichter, der sich nicht auf die eine oder andere Weise damit auseinandersetzte: mal enthusiastisch, mal kritisch und oft genug auch melancholisch, wenn der Abschied oder der Tod eines langjährigen Gefährten beklagt wurde.
Die Gedichte, die Thomas O. Höllmann für diesen Band ausgewählt und übersetzt hat, stammen aus der Zeit zwischen der Reichsgründung (221 v. Chr.) und der Eroberung Chinas durch die Mongolen (1279), wobei sich in diesen eineinhalb Jahrtausenden - trotz eines tiefgreifenden politischen und sozialen Wandels - erstaunlich wenig an der Einschätzung der Freundschaft geändert hat.
Thomas O. HöllmannThomas O. Höllmann, geb. 1952, war Professor für Sinologie an der LMU München, seit 2017 ist er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Von ihm liegen zahlreiche Bücher zur Geschichte, Archäologie und Ethnologie Chinas vor, wobei das Spektrum ...
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