Am 19. November 1914 riefen Deutschland und die Türkei gemeinsam zum ›Jihad‹ gegen Russen, Briten und Franzosen auf. In Deutschland entstanden islamistische Propagandalager, in denen muslimische Kriegsgefangene für die deutsch-türkische Allianz im Ersten Weltkrieg gewonnen werden sollten.
Die 18.000 russisch-muslimischen Kriegsgefangenen im Weinberglager in der Nähe von Berlin bekamen diese Politik am eigenen Leib zu spüren. Ihre Bewacher versuchten sie mit einer ideologisch aufgeladenen ›islamischen‹ Propaganda zu ködern. Die Gefangene entwickelten indes Strukturen, um unter dem Radar der offiziellen Einflussnahme westliche Bildung zu erwerben. So buchstabierten sie ihre Rolle in der imperialen Ordnung und bereiteten sich auf ihren Kampf um Unabhängigkeit vor.
Gerdien Jonker und Markus Schlaffke haben sich auf Spurensuche begeben: In den Archiven, aber auch vor Ort, wo jahrzehntelang nichts mehr an das Lager erinnerte und heute allein ein Gräberfeld dessen Existenz dokumentiert. Die Grundspannung dieser besonderen Geschichte wird im Buch eingehend ausgeleuchtet. Jonker und Schlaffke zeigen, wie rassenhygienische Auslese, antikolonialer Befreiungskampf und die Krisenerfahrungen der Moderne im Lager aufeinanderprallten und wie die Kategorien der Identifikation sich verhedderten.
Gerdien JonkerGerdien Jonker, geb. 1951, forscht zur kollektiven Erinnerung Europas und ist dem Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa als Religionshistorikerin verbunden.
Veröffentlichungen u. a.: Religious Entanglements Between Germans and Indians, 1800–1945 ...
mehrMarkus SchlaffkeMarkus Schlaffke, geb. 1973, promovierte an der Bauhaus-Universität Weimar und ist Dokumentarfilmer.Veröffentlichungen u. a.: How to Spell Empire. Das ›Tatarenlager‹ Wein- berge 1914–1918, Dokumentarfilm (2024); Das indische Ballett Menaka in Europa 1936–38. ...
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