Wallstein Verlag

Die Tapferen


Roman

Aus dem Französischen übersetzt von Andrea Spingler


'Die Tapferen', das sind die fünf skurrilen Cousins Solal: Saltiel, Salomon, Mattathias, Michaël und Pinhas, genannt Eisenbeißer. Sie leben auf der griechischen Insel Kephalonia. Ihr Wortführer ist Eisenbeißer, der 'Bey der Lügner' und 'Kapitän der Winde'. Aus Geldmangel hat er sich zum Selbstmord entschlossen, doch im letzten Moment kommt ihm die rettende Idee, statt dessen eine Universität zu gründen. Dort unterrichtet er alles, vom Sinn eingeschriebener Briefe bis zur Kunst der Verführung. Als die fünf einen Brief mit einem Scheck ihres Neffen Solal de Solal aus Genf erhalten, wird die Universität kurzerhand geschlossen, und sie machen sich auf den Weg zu ihm. Zuerst aber fliegen sie nach Rom, von dort reisen sie über Paris nach England weiter, wo Eisenbeißer unbedingt die Königin kennenlernen will. Ein grotesk-komischer Roman, der die Welt von 1935 aus der Sicht seiner pittoresken Figuren schildert.


ALBERT COHEN wurde 1895 auf Korfu geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete er ab 1926 in Genf, Paris und London für internationale Organisationen, u. a. für die 'Jewish Agency for Palestine'. 1930 erschien sein erster Roman, 'Solal', 1938 'Eisenbeißer', 1968 'Die Schöne des Herrn', der mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Die Tapferen (1969) bildet den letzten Band der Solal-Tetralogie. Cohen starb 1981 in Genf.

LESEPROBE:

Um sechs Uhr morgens entstieg Pinhas Solal, genannt Eisenbeißer, in dem ihm als Schlafzimmer dienenden Keller gänzlich angekleidet der Hängematte, die sein Bett darstellte. Wie um von sich selbst Abschied zu nehmen, betrachtete er sich in der gesprungenen Glasscheibe, die an der Wand lehnte und ihm als Spiegel diente. Mit tiefen Seufzern bewunderte er all das an seiner Erscheinung, was er bald nie mehr sehen würde, bewunderte sein hageres Gestell eines Schwindsüchtigen, seinen sardonisch gegabelten Bart, seine dreckigen großen Füße, die er so geliebt hatte, seine gewaltigen Hände, ganz aus Knochen, Haaren und vortretenden Adern, seinen geflickten Gehrock, seinen Zylinder. Ein ernüchtertes Lächeln entblößte seine langen gelben Zähne, die ebensoweit auseinanderstanden wie seine Zehen. Ja, dieser Tag, der achtundzwanzigste März, würde der unselige Tag seines Ablebens sein. 'Leb wohl, teurer Anblick meiner Person!' sagte er zu seinem Bild in der Scheibe.

So endeten leider alle Genies: im Elend und durch Selbstmord!

Ach, die Gesellschaft war schlecht eingerichtet, und es war ungerecht, daß Überlegenheit unter den Menschen auf anderem beruhen konnte als auf Verdiensten, rascher Auffassungsgabe und Tugend!


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