Das Buch dokumentiert ein Interview, das Patrick Llored, ein junger kultursoziologisch orientierter Philosoph, mit Jean Bollack, Philologe und Literaturwissenschaftler, geführt hat. In den Antworten wird nach und nach eine grundsätzliche Reflexion über das philosophische Handwerk und die Erkenntnisproblematik entwickelt. Zwar setzen sich Bollacks Forschungen besonders mit dem tradierten Verständnis der klassischen Texte der Antike auseinander, doch betreffen aufgeworfene Fragen zentrale Probleme der meisten Bereiche der Geistes- und Kulturwissenschaften. Im Zentrum steht der kulturell bedingte Kontext der Vermittlung, von der aus die Anschauungen über den Sinn der Werke und die Art und Weise, sie zu lesen, erst wirklich verständlich werden. Das kritische Lesen der Texte setzt ein solches historisches Bewußtsein voraus; erst durch die Ergründung des jeweiligen Verwendungszwecks der Wissensobjekte ist es möglich, ihre wahre Bedeutung zu erkennen.
Darüber hinaus wird durch die systematische Analyse der Tradition die betont historisierende Sichtweise auf die Entstehungsbedingungen der ästhetischen Produktionen selbst ausgedehnt. Daraus ergibt sich die These, daß das Verständnis des Inhalts auch älterer Texte mit dem ihres Zustandekommens und ihrer Komposition zusammenfällt. Die Dichtung war und ist in ihrem Kern Philologie. Damit stellt sich auch das Problem der Aktualisierung neu: Die Dichtung entzieht sich prinzipiell, und zwar auf sehr kritische Weise, der Tradition, genauer: den unterschiedlichen Traditionen. Sie bezieht Stellung, wirkt über die Zeiten hinweg kritisch und vermag mythische Verhüllung aufzudecken.
Jean BollackJean Bollack (1923-2012), geb. in Straßburg in einer elsässisch-jüdischen Familie, war Philosoph und Philologe. Er studierte klassische Philologie in Basel und nach Kriegsende in Paris. Dort gründete er an der Universität Lille das Forschungszentrum für ...
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