Der binationale Zionismus des 19. Jahrhunderts und sein kleiner Kreis an Protagonist:innen, die für ein jüdisch-arabisches Gemeinwesens fochten, haben in der bisherigen Forschung viel Aufmerksamkeit erfahren. Anja Siegemund weitet den Blick auf den »Verständigungszionismus« aus und untersucht eine breitere, dabei keineswegs monolithische Variante des Zionismus. Sie beschreibt deren Gesamtgewebe in ihrer Vielschichtigkeit, beleuchtet Wertesysteme, Kontexte und Netzwerke, außerdem die Genese, Programmatik, Fraktionen und Differenzen des Verständigungszionismus. Sie geht den Herausforderungen, Zäsuren und Veränderungen vom Fin de Siècle bis zur Gründung des Staates Israel sowie den politischen Engagements und Kontroversen seiner Protagonist:innen nach – nicht zuletzt auch deren Ambivalenzen und Unsicherheiten. Was implizierten sie mit »Verständigung«, welche Möglichkeiten sahen sie? Thematisiert werden damalige grundlegende Debatten und Konflikte, die nicht an Aktualität eingebüßt haben: um die politische Verfassung des Landes, um Majorität und Einwanderung, um jüdische und arabische Rechte, die Verortung von Jüdinnen/Juden im Orient, um die Verteilung von Land und Arbeit. Adressiert werden u.a. die klassische Frage der Verbindung von Separatismus und Universalismus sowie diverse Forschungsdiskussionen etwa darüber, ob dieser Zionismus liberal, »völkisch« oder kolonial war.
Anja SiegemundAnja Siegemund, Historikerin, ist seit 9/2015 Direktorin der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. Von 2009 bis 2015 war sie Direktorin des Leo Baeck Instituts Jerusalem.
Veröffentlichungen, u. a.: Auseinandergelebt? Alte Bündnisse, neue Verortungen ...
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