Raymond Chandler, schillernder Stilist und Schilderer des amerikanischen Lebens, nimmt mit seinem Werk, das den Trash der Groschenhefte mit einer ganz eigenen Form realistischer Prosa verbindet, einen besonderen Platz in der Geschichte der Literatur ein. Mit The Big Sleep (Tote Schlafen fest), erschienen 1939, prägte er maßgeblich den Detektivroman des 20. Jahrhunderts; die Verfilmungen seines Werkes, die Zusammenarbeit u.a. mit Billy Wilder (Double Indemnity/Frau ohne Gewissen) oder Howard Hawks (The Big Sleep/Tote schlafen fest) machten es weltberühmt.
Fredric Jameson bietet eine Interpretation von Chandlers Werk, die den Kontext, in dem es geschrieben wurde, rekonstruiert und zugleich den gesellschaftlichen Raum, die Totalität, die es entwirft, detektivisch ermittelt. Indem Chandler mit der Sprache und den Konventionen der Detektivgeschichte spielt, erscheint sein immerwährender Schauplatz Los Angeles sowohl als Mikrokosmos der Vereinigten Staaten wie auch als eine Präfiguration ihrer Zukunft: eine Megalopolis, die auf einzigartige Weise durch eine widrige Umwelt in eine Vielzahl eigenständiger Viertel, lokaler Besonderheiten und privater Milieus zerteilt ist. Aber dieses im Wesentlichen auf urbane und gesellschaftliche Räume eingestellte Werk ist auch auf eine Leerstelle ausgerichtet, eine Absenz, die im Kriminalroman wohlbekannt ist: den Tod. Fredric Jamesons Essay zeigt, wie das Genre des Kriminalromans bei Chandler metaphysisch wird und eröffnet damit zugleich einen überraschenden Blick auf die Gesellschaft.
Horst BrühmannHorst Brühmann, geb. 1951, übersetzt seit 1975 aus dem Französischen und Englischen, für KUP u.a. Gaston Bachelard, Georges Didi-Huberman, Michael Taussig und Jean-Pierre Vernant.
mehrFredric JamesonFredric Jameson, geb. 1934, ist Literaturwissenschaftler und prominenter Vertreter einer marxistischen Kulturtheorie. Er ist Professor für Comparative Literature and Romance Studies und Direktor des Center for Critical Theory an der Duke University in ...
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