Karla stellt sich vor, wie es ist, wenn sie dem Clown statt Most Seiche zu trinken gibt.
Vorsichtig stellt sie den Krug auf die steinerne Stufe, zieht die Unterhose hinunter und hockt sich drüber. Sie läßt ihre Seiche in den Most plätschern und schaut drauf, daß sie keinen Millimeter danebentrifft.
Sorgfältig, wie der Pfarrer den Kelch, nimmt sie den Krug in beide Hände und trägt die Opfergabe feierlich vor sich her.
(...)
Karla starrt auf das volle Glas der Mutter. Jeden Moment kann sie danach greifen. Wie sie hinlangt, fährt Karla mit der Hand dazwischen. Das Glas kippt. Karla zieht die Hand zurück. Der Most rinnt über das Plastiktischtuch und tropft auf die feine Hose des Gastes.
So schnell kann sich Karla gar nicht ducken, wie sie die Hand der Mutter im Gesicht hat. Auf der Wange spürt sie, wie es brennt und in den Ohren hört sie, wie es zetert. »Herr Gott noch einmal. Das Mensch wird nicht gescheiter. Soll ihr eigenes Glas holen, wenn sie trinken will.«
Karla riecht den Moder des Küchenfetzens, wie die Mutter mit dem alten Unterleiberl vom Vater die Mostsuppe auftunkt.
»Jetzt holst sofort ein nasses Handtuch und wischst dem Herrn Meixner den Most heraus. Sonst bleibt noch ein Fleck auf der schönen Hose!«
Dem Eierclown ist es unangenehm, daß die Mutter mit der Karla schimpft. Er winkt in einem fort ab und tut, wie wenn es ihm nichts ausmachen würd.
»Es ist eh nichts passiert. Ist ja nur Most!«
Wenn Karla das Glas nicht absichtlich umgestoßen hätt, wär sie jetzt einfach davongerannt. Sie hätt es der Mutter überlassen, den Clown abzuputzen. So holt sie aber folgsam ein Handtuch und macht es naß. Sie hockt sich vor dem Clown hin, der aufgestanden ist, damit sie besser putzen kann. Karla reibt an dem dunklen Fleck, der vom Knie bis zum Hosenschlitz geht.
Die Mutter schnuppert am Fetzen, scheint doch noch was anderes zu riechen wie die Fäule im Stoff und meint für sich selber: »Den muß ich einmal auskochen.«
Karla spannt mit der einen Hand die Hose an, mit der anderen wischt und reibt sie. Die Seiche kann sie deutlich herausriechen aus dem Most, dann kommt ihr aber vor, daß es fremd riecht und vielleicht doch aus der Hosentürlgegend kommt. Bei dem Gedanken graust ihr so, daß sie nicht weiterwischen kann. Sie schaut zu dem Mann auf, der sanft auf Karla herunterlächelt. Noch viel sanfter als sonst.
Ihr wird kalt bei diesem Lächeln. Sie steht schnell auf und wirft das Handtuch in die Schmutzwäsche.
Karla muß auch die Eier tragen helfen. Wie der Clown den Kofferraumdeckel aufmacht und der Mutter die Eier abnimmt, stößt er nicht bei ihren Fingern an. Wie er aber der Karla die Eierlagen aus den Händen nimmt, greift er so hin, daß er ihre Finger erwischt.
Karla reibt die Spitzen an der Schürze ab und will weggehen. Damit sie sich das Handgeben erspart.
Doch wie sie sich umdreht, sagt der Clown: »Ich hab noch was für dich, Karla!«
»Ich will nichts«, sagt sie und dreht sich nicht um.
Aber die Mutter packt sie am Zopf und reißt sie herum.
»Wenn der Herr Meixner noch was hat für dich, bleibst da, bis er’s dir gibt.«
Karla steht stocksteif da. Sie schielt zur Mutter, die mit einem- Aufpassergeschau neben ihr steht. Insgeheim tut es Karla schon leid, daß sie die Mutter nicht hat trinken lassen vom Most.
Der Clown drückt Karla einen trinkbechergroßen Stiefel aus Glas in die Hand. Er ist bis oben mit Schokolade-zuckerln gefüllt.
»Der Stiefel ist aus der Glasfabrik in Bärnbach«, erklärt er. »Wenn du die Zuckerln aufgegessen hast, kannst sogar draus trinken.«
Die Mutter schlägt die Hände zusammen, weil sie sich so freut über das Geschenk für Karla.
Karla ist ganz höflich und sagt »Danke«. Dabei schaut sie zu Boden.
Den Stiefel hält sie mit beiden Händen fest, damit der Mann zum Verabschieden nicht noch einmal nach ihren Fingern greifen kann.
»Ich versteh gar nicht, warum der Herr Meixner noch immer- so lieb ist zu dir, wo du dich immer so garstig benimmst!«
Wie die Mutter das sagt, kommt es Karla vor, daß sie selber gern den Zuckerstiefel bekommen hätt. Der Clown gibt ihr die Hand, und Karla glaubt schon, daß er ins Auto einsteigt. Aber nein, wie Karla den Stiefel umklammert und keine Hand hergibt zum Verabschieden, nimmt er ihren Kopf in seine kalten, knochigen Hände und drückt ihr einen Kuß auf den Mund. Das ist Karla zuviel. Sie preßt die Lippen ganz fest zusammen und weiß nicht, ob ihr vor den feuchten Mundwülsten mehr graust oder ob sie gleich speiben soll wegen der abgezehrten Krampen auf ihren Wangen.
Ihr ist zum Weinen vor Zorn. Die Mutter findet es lustig und winkt dem grinsenden Eierclown nach.