Ruth Klügers Gedichtinterpretationen von den Merseburger Zaubersprüchen über Goethe, Schiller, Heine, Lasker-Schüler bis hin zu Sarah Kirsch und Robert Gernhardt zeichnen eine Geschichte der deutschen Lyrik nach.
Ruth Klüger führt die Leserinnen und Leser in diese dunkle Kirche, wo durch den Blick gegen das Sonnenlicht die Kraft der Farben und die Schönheit erst ganz sichtbar werden. So, mit diesem Blick von innen, setzt sie sich mit vielerlei Gedichten auseinander, mit sehr alten und ganz neuen, auch mit humoristischen. Und dabei sagt sie immer wieder auch Allgemeines übers Gedichtelesen und über das Vergnügen, das es bereitet. Ihre Lyrikinterpretationen, die meisten davon in den letzten Jahren in Marcel Reich-Ranickis Frankfurter Anthologie erschienen, sind nun in einem Band versammelt. Sie laden dazu ein, Gedichte neu zu lesen und lassen dabei auch genug Raum für eigene Interpretationen. Die kritischen Versuche sind daher nur ein Hinweisen, ein Fingerzeigen auf »Geschicht und Zierat« in dieser »Kapelle« der Literatur, eine Einladung zum Mit- und Weiterlesen.
Inhaltsverzeichnis
I
Unbekannter Dichter: Zweiter Merseburger Zauberspruch
Der Dichter als Pferdearzt
Walther von der Vogelweide: Der erste Reichsspruch
Es gibt kein wahres Leben im falschen
Catharina Regina von Greiffenberg: Über das unaussprechliche heilige Geistes-Eingeben
Ein seltenes Licht
Hans Aßmann von Abschatz: Die schöne Blatternde
Ästhetik des Hässlichen
Johann Wolfgang Goethe: Urworte. Orphisch
Die Pforte entriegeln
Friedrich Schiller: Untertänigstes pro memoria
Der angebundene Pegasus
Friedrich Schiller: Rousseau
Unvollendete Aufklärung
Friedrich Hölderlin: Hyperions Schicksalslied
Götter und Säuglinge
Annette von Droste-Hülshoff: Am Turme
Ein Mann, mindestens
Heinrich Heine: Babylonische Sorgen
Der Koffer im Kopf
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Das Lied der Deutschen
Der Weg zur dritten Strophe
Eduard Mörike: Die Geister am Mummelsee
Es orgelt im Rohr
Conrad Ferdinand Meyer: Möwenflug
Dialektik der Ordnung
Ricarda Huch: Wiegenlied
Das Opfer soll Täter werden
Else Lasker-Schüler: Jakob
Der Erfinder des Lächelns
Else Lasker-Schüler: Mein blaues Klavier
Die drei Türen der Verbannung
Christian Morgenstern: Die Behörde
Kein Mensch ist illegal - oder doch?
Hugo von Hofmannsthal: Der Schiffskoch, ein Gefangener, singt:
Dekadente Cuisine
Nelly Sachs: Weiß im Krankenhauspark
Gestohlene Knospen
Gertrud Kolmar: Die Kröte
Außenseitertier
Theodor Kramer: Winterhafen
Tatort am Ufer
Bertolt Brecht: Apfelböck oder Die Lilie auf dem Felde
Zwischen Sophokles und Boulevardpresse
Erich Kästner: Patriotisches Bettgespräch
Die Kinder hinterm Komma
Marie Luise Kaschnitz: Die Katze
Mißglückte Zähmung
Peter Huchel: Soldatenfriedhof
Nachkriegsspuk
Hans Sahl: Kinder baden in Flüssen
Alte Füße. Nachruf auf ein Jahrhundert
Christine Lavant: Lockte mich die alte Zauberin
Im Hexenhaus
Paul Celan: Todesfuge
Abstrakte Zeitgeschichte
Paul Celan: Assisi
Der Heilige und die Toten
Erich Fried: Zu Holze
Merseburger Entzauberung
Ingeborg Bachmann: Was wahr ist
Der unbekannte Ausgang
Sarah Kirsch: Die Verdammung
Prometheus beschattet
Sarah Kirsch: Fluchtpunkt
Reisegesellschaft
Robert Gernhardt: Couplet von der Erblast
Spätantik und postmodern
Robert Schindel: Nullsucht 15 (Stürzen die Wolken)
Gespenstersonett
II
Mein Schiller
Drei blaue Klaviere. Die verfolgten Dichterinnen Else Lasker-Schüler, Gertrud Kolmar und Nelly Sachs
Mein Schlüssel hat das Haus verloren. Die verfolgten Dichterinnen Rose Ausländer, Mascha Kaléko und Hilde Domin
Über Lyrik reden. Dankansprache zum Preis der Frankfurter Anthologie
Ruth KlügerRuth Klüger (1931-2020) war von 1966 bis 1992 Professorin für Deutsche Philologie an verschiedenen amerikanischen Universitäten, zuletzt an der University of California / Irvine. Von 1978 bis 1986 war sie Herausgeberin der Zeitschrift »The German Quarterly«, ...
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