Friedrich Schlegels Schrift Über die Sprache und Weisheit der Indier (1808) spielte eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung der vergleichenden Sprachwissenschaft und der Indologie. Während sich bis dahin das europäische Interesse an Indien auf literarische und religiöse Aspekte beschränkt hatte, erarbeitete Schlegel einen methodischen Rahmen für die Erforschung des linguistischen Verhältnisses innerhalb der später so genannten indogermanischen europäischen Sprachenfamilie. Seine Hypothese, die europäischen Völker könnten in der fernen Vergangenheit aus Indien zugewandert sein, basierte auf der Verwandtschaft zwischen dem Sanskrit und den europäischen Sprachen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, nach Schlegels Tod, wurde diese These für den Mythos von der überlegenen »arischen« Rasse instrumentalisiert.
Basierend auf Schlegels bisher teils unveröffentlichten Notizen, seinen Tagebüchern sowie den Schriften und Vorlesungen plädiert der israelische Historiker Chen Tzoref-Ashkenazi dafür, Schlegels Hypothese vom indischen Ursprung der Germanen nicht nur in ihrem philosophischen und philologischen, sondern auch in ihrem politischen Kontext zu verstehen.
Chen Tzoref-AshkenaziDer israelische Historiker Chen Tzoref-Ashkenazi, geb. 1963, studierte in Tel Aviv und ist derzeit Gastforscher am Südasien-Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
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