Seit dem späten 19. Jahrhundert wurden neue Kulturformen wie Kino, populäre Presse, Groschenhefte, Weltausstellungen oder kommerzielle Freizeitangebote in Frankreich als Ausdruck einer fundamentalen gesellschaftlichen Krise angesehen. Sie standen für die zunehmende Urbanisierung, Technisierung und Industrialisierung, vor allem aber für die scheinbar unaufhaltsame Demokratisierung der Gesellschaft und damit für den Aufstieg der »Massen« zur politischen und kulturellen Macht. Die Bedrohlichkeit und zugleich Faszination dieser massenhaften Kultur forderte zeitgenössische Beobachter wie Gustave Le Bon, George Duhamel, André Malraux und Henri Lefebvre heraus - sie suchten nach Strategien zu ihrer Abwehr, Regulierung oder Umgestaltung. Nicht nur konservative Sittlichkeitsvereine oder katholische Kulturkritiker, sondern auch Wissenschaftler und politische Pragmatiker meldeten sich zu Wort. Doch sie hielten den Aufstieg der »Massenkultur« nicht auf, sondern waren im Verlauf des 20. Jahrhunderts an der Konstruktion einer kulturellen Ordnung beteiligt, in welche diese Kultur mehr und mehr integriert wurde.
Stefanie MiddendorfStefanie Middendorf, geb. 1973, studierte Geschichte, Germanistik, Psychologie und Kunstgeschichte in Freiburg, Basel und Jerusalem. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
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