Und dann lernte ich noch einmal eine Hexe kennen. Von allen Hexen, die ich kannte, war sie die schwierigste Hexe. Mir wurde klar, daß ich bisher nur harmlose Hexen gekannt hatte und selbst eine recht biedere, sozusagen eine homöopathische Hexe gewesen war und daß dies jetzt aufhören würde. Sie war eine Partisanenhexe von der wildesten Sorte. Ich traf sie beim Kaufhof an der Kasse, und das erste, was ich mit ihr erlebte, war, wie sie einem Mann den Einkaufswagen verfluchte. Es war ein unangenehmer Mann, das gebe ich zu, und er versuchte sich vorzudrängeln, er schob ihr seinen Wagen in die Knie, sie wich aus, er setzte nach und machte eine unfreundliche Bemerkung der Art, daß er es eilig habe, und es wäre mir niemals eingefallen, ihm seinen Wagen zu verhexen, aber sie drehte sich um, sah ihn an, sah seinen Wagen an, und der arme Mann würde beim Auspacken faule Eier, stinkenden Fisch, gammliges Obst und schimmelnde Joghurts vorfinden. Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, daß man es so machen kann, und war nicht sicher, ob ich es so machen würde, aber es machte mir Eindruck. So, sagte die Partisanenhexe später, den hätten wir geschafft. Sie hatte an der Rolltreppe auf mich gewartet. Ich sagte, glauben Sie, das war nötig. Katzkatzkatz, sagte sie ungeduldig, und es klang wie papperlapapp. Als wir oben waren, drehte sie sich noch einmal um, hielt rasch die Rolltreppe an, und der Mann mußte zu Fuß hochlaufen. Dann lachte sie ein schrilles Hexenlachen, laut und übermütig, und sie gefiel mir gut. Wir fingen an zu reden. Wir redeten viel und lange und sowieso über nichts, wie es alle Hexen so machen, und nachdem wir uns ein paarmal getroffen und viel und über nichts geredet hatten, machte ich es auf einmal auch.
aus: Birgit Vanderbeke »Alle meine Hexen«