Von den Zeitgenossen viel gelesen und gerühmt, sind die Texte der Schriftstellerin, Übersetzerin und Verlegerin Friederike Helene Unger (1751-1831) heute weitgehend vergessen. Zu Unrecht - denn die Wiederentdeckung ihres im Zentrum des Berliner Literaturbetriebs der Goethezeit entstandenen Erzählwerks stößt auf eine spezifische, den künstlerischen Entstehungskontext reflektierende Literarizität: Die Texte spielen gleichermaßen ironisch mit gängigen literarischen Mustern wie mit den Konventionen des sich eben etablierenden modernen Literatursystems, wobei sich die Auseinandersetzung mit den beiden großen Antipoden der Epoche - Goethe und dessen Werk sowie die Brüder Schlegel und die Frühromantik - als dominierend erweist. Von Friedrich Schlegel als eine der »größten Tendenzen des Zeitalters« bezeichnet, dient Goethes für die Erzählliteratur der Epoche grundlegender Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre dabei als durchgängiger erzählerischer Bezugspunkt. Weil Ungers hochgradig intertextuelle Prosa das Gattungsmuster ironisch-kritisch reflektiert, führen die Lektüren der vorliegenden Studie auch über eine Revision der Gattungsgeschichte zum Bildungsroman und zu einer Neufassung der Theorie zur Gattung.
Als erste Unger-Monographie enthält der Band zudem eine umfassende Dokumentation mit einem Werkverzeichnis und einer Liste der überlieferten Autographen, die der zukünftigen Forschung den Weg zu den teilweise schwer zugänglichen Quellen erleichtert.
Birte GieslerBirte Giesler, geb. 1968, studierte Literaturwissenschaft, Soziologie und Philosophie in Karlsruhe und Freiburg i. Br. 2001 promovierte sie an der Universität Karlsruhe. Sie ist Lehrbeauftragte für Gender Studies und Literaturwissenschaft am Zentrum für ...
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