Eine interdisziplinär angelegte Studie zu Aspekten der Geschichts- und Erinnerungskultur in Kassel 1866-1914 sowie zu den damit verbundenen Geschichtsbildern.
Mit der preußischen Einverleibung Kurhessens büßte die Stadt Kassel 1866 ihre knapp sechshundert Jahre währende Funktion als Hauptstadt und Residenz eines eigenständigen Staates und einer fürstlichen Dynastie ein. Die historische Zäsur veränderte die kollektive Selbstbestimmung als preußische Provinzialhauptstadt und im Zuge dessen die Wahrnehmung der städtischen Geschichte.
Vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse untersucht Stefan Schweizer das Verhältnis von Geschichtsdeutung und Geschichtsbildern mit Blick auf Aspekte der Geschichts- und Erinnerungskultur. Welche Bilder der eigenen Geschichte entwarf man in der Stadt und welche Personen traten als Protagonisten der Geschichtsimaginationen in Erscheinung? Welche Vorstellungen von der eigenen Geschichte bestimmte die historische Identität in Kassel zwischen 1866 und 1914?
Mit dem Blick auf die Geschichtsbilder der visuellen Kultur wird deutlich, daß die bürgerlichen Eliten der Stadt nach 1866 große Schwierigkeiten hatten, den eingeübten dynastiegeschichtlichen Perspektiven ein kommunales Gedächtnis und ein genuin städtisches Interesse an der eigenen Geschichte entgegenzusetzen.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkungen
Kapitel 1: Historische Identität, Kollektive Erinnerung, Geschichtsbilder
»Chassalla« - Historistische Selbstspiegelung
Historischer Bruch und historische Deutungsmuster
Kollektive Erinnerungen
Zur historischen Semantik von Geschichtsbildern im 19. Jahrhundert
»Daguerrotypische Lebendigkeit« und das Modell des »Charakteristischen«
Literarischer und pikturaler Bildbegriff
Bilddiskurse und Bildgedächtnis
Kapitel 2: Historiographie und Bilder gedeuteter Geschichte
Der Verein für Hessische Geschichte und die Anfänge bürgerlicher Historiographie
Christoph von Rommel: Ein Historiker entwirft Geschichtsbilder
Geschichtsimagination im Medium von »tableau vivant« und fotografischer Reproduktion
Kapitel 3: Kommunalgeschichtliche Deutungsmuster im Spiegel der Gegenwart
Ein Oberbürgermeister deutet das mittelalterliche Kassel
Kapitel 4: Geschichte und Erinnerungspraxis in der Denkmalkultur
Protagonisten und Inhalte kommunaler Denkmalkultur
Nationalpatriotische Verortung
Oberbürgermeister und Oberpräsident
Musiker und Wissenschaftler
Der Landgraf im Kulturkampf
Kapitel 5: Architektonische Selbstwahrnehmung und -stilisierung nach 1866
Architektur als Medium historischer Sinnstiftung
Das neue Rathaus
Kapitel 6: Die Tausendjahrfeier der Stadt 1913 und der Historische Festzug
Vor und während der Feier: Festspiele und »lebende Bilder«
Bürgerliche Festkultur
Kaiserloyalität und historische Perspektive
Die Feier und ihre Bilder
Planung und Organisation des »Culturhistorischen Festzugs«
Formen der Charakterisierung von Geschichte im Festzug
Verkörperung von Geschichte und Aneignung des historischen Stadtraums
Die Rezeption im Spiegel neuer und alter Medien
Nachbemerkungen
Abkürzungen
Ausgewählte und mehrfach zitierte Literatur
Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen Stefan SchweizerStefan Schweizer, geb. 1968, studierte in Kassel und Verona Kunstgeschichte, Soziologie und Geschichte, 2001 promovierte er. Seit 2001 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen.
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