Ist es angemessen, dem Wort »Gott« einen prominenten Platz in der Europäischen Verfassung einzuräumen? Ist ein solcher Bezug noch zeitgemäß in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft, in der ein gemeinsamer christlicher Hintergrund als normierender Plausibilitätsrahmen kaum noch existiert? Und was ist von dem Argument zu halten, beim Gottesbezug gehe es doch eigentlich nur um Geschichte, um Erbschaftsverhältnisse? Wer so argumentiert, findet sich leicht in der unbequemen Rolle des Nachlaßverwalters wieder! Wäre es da nicht - aus theologischen, aber auch aus verfassungsrechtlichen Konsequenzen - ehrlicher, auf einen Gottesbezug zu verzichten?
Georg Essen begreift den Streit um die Einfügung des »Präambelgottes« als eine exemplarische Fallstudie, in der es nicht allein um das Problem einer Selbstverortung von Religion im modernen Verfassungsstaat und in der säkularen Zivilgesellschaft geht. Denn nicht zuletzt steht in dieser Auseinandersetzung auch die positive Bezugnahme des weltanschaulich-neutralen Staates zu religiösen Sinnvorgaben zur Entscheidung an. Am Ende stellt sich die Frage, welchen Beitrag zur freiheitlichen Verfaßtheit von Staat
und Gesellschaft Religionen heute und in Zukunft leisten können.
Georg EssenGeorg Essen, geb. 1961, studierte katholische Theologie und Geschichte in Münster und Freiburg/Br., war von 1999-2001 Hochschuldozent an der Kath.-Theol. Fakultät Münster und lehrt seit 2001 als Professor für Dogmatische Theologie an der theologischen ...
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