Welche Folgen hat der Versuch, internationale Standards für Vergangenheitsaufarbeitung zu etablieren?
Der deutsche Umgang mit NS- und SED-Diktatur wird häufig als Vorbild für die Aufarbeitung diktatorischer Vergangenheit angeführt. Er scheint als eine Art Norm zu fungieren, an der andere europäische Staaten sich orientieren und ihre jeweiligen Aufarbeitungsprozesse messen. Sowohl auf nationaler als auch auf transnationaler und europäischer Ebene sind zunehmend Bemühungen feststellbar, Standards und verbindliche Richtlinien für Vergangenheitsaufarbeitung zu etablieren. Im vorliegenden Band werden diese Entwicklungen sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken erstmals Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern die Zentralisierungsbestrebungen und Normierungsprozesse zu einer Verordnung von bestimmten Standards der Diktaturüberwindung führen (könnten): Kann Aufarbeitung von Diktatur von einer Art »Diktat« der Aufarbeitung begleitet werden?
Inhaltsverzeichnis
Katrin Hammerstein und Julie Trappe
Aufarbeitung der Diktatur - Diktat der Aufarbeitung? Einleitung
»Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland im Zeichen doppelter Diktaturerfahrung
Christoph Cornelissen
»Vergangenheitsbewältigung« - ein deutscher Sonderweg?
Bernd Faulenbach
Eine neue Konstellation? Der Umgang mit zwei Vergangenheiten in Deutschland nach 1989
Michael Beleites
Isolierte Aufarbeitung? Zur zweigleisigen Erinnerungskultur in Deutschland und ihren Folgen
Alfons Kenkmann
Fokussierung oder Vielfalt? Aktuelle Diskussionen um die Struktur der NS-Gedenkstätten - Berlin und Nordrhein-Westfalen im Vergleich
Auf dem Weg zu einer DIN-Norm für die Diktaturaufarbeitung?
Micha Brumlik
Ein singulärer Lernprozess? Die Bundesrepublik Deutschland und die Lehren des Holocaust
Dorota Dakowska
Aufarbeitung »made in Poland« und die Frage nach dem deutschen Standard - IPN und BStU im Vergleich
Claudia Kraft
»Pacto de silencio« und »gruba kreska«. Vom Umgang mit Vergangenheit in Transformationsprozessen
Ulrike Jureit
Olympioniken der Betroffenheit. Normierungstendenzen einer opferidentifizierten Erinnerungskultur
Staat, internationale Institutionen, Zivilgesellschaft - Akteure der Aufarbeitung
Julie Trappe
Verjährung, Rückwirkungsverbot und Menschenrechtsschutz - Standards strafrechtlicher Vergangenheitsaufarbeitung in Europa?
Koffi Kumelio A. Afanđe
Internationale strafrechtliche Untersuchungskommissionen oder die »Vorkammer der Anklage« - aus der Praxis der Vergangenheitsaufarbeitung
Christine Axer
Devoir de mémoire - Frankreichs Erinnerungskultur im Zeichen der lois mémorielles
Xosé-Manoel Nunez
Zwischen Gedächtnis und Politik: Die spanische Zivilgesellschaft und die Aufarbeitung der franquistischen Diktatur
Europa und seine diktatorischen Vergangenheiten
Michael Weigl
Europa neu denken? Zur historischen Umorientierung europäischer Identitätspolitik
Katrin Hammerstein und Birgit Hofmann
Europäische »Interventionen«
Resolutionen und Initiativen zum Umgang mit diktatorischer Vergangenheit
Jens Kroh
Europäische Innenpolitik? Die Stockholmer »Holocaust-Konferenz« und die diplomatischen Maßnahmen der »EU der 14« gegen Österreich
Milan Horáček
Die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Tschechien - Eintrittskarte in die »europäische Wertegemeinschaft«?
Standardisierte Erinnerung? Ausformungen einer europäischen Gedächtniskultur
Stefan Troebst
»1945« als europäischer Erinnerungsort?
Regina Fritz und Katja Wezel
Konkurrenz der Erinnerungen? Museale Darstellungen diktatorischer Erfahrungen in Lettland und Ungarn
Anna Kaminsky
Sichtbare Erinnerungen Orte des Gedenkens und Erinnerns an die Opfer der kommunistischen Regime in Osteuropa
Burkhard Olschowsky
Grenzübergreifende Verlusterfahrungen - Flucht und Vertreibung aus deutscher und polnischer Perspektive
Dokumentation
Günter Nooke
Staatsziel Aufarbeitung oder Menschenrecht auf Wahrheit?
Anmerkungen zu heiklen Debatten und Kriterien Eröffnungsvortrag vom 20. September 2007
DIN-Norm oder neuer deutscher Sonderweg: Aufarbeitung made in Germany als Modell? Auszüge der Podiumsdiskussion mit Bernd Faulenbach, Rüdiger Sielaff, Stefan Troebst, Harald Welzer, Edgar Wolfrum vom 21. September 2007
Beschlagnahmung der Vergangenheit: Führen Zentralisierungstendenzen und Standard- und Normsetzungen zu einem »Diktat der Aufarbeitung«? Auszüge der Abschluss-Podiumsdiskussion mit Joachim Gauck, Ulrike Jureit, Michael Kleine-Cosack, Martin Sabrow vom 23. September 2007
Katrin HammersteinKatrin Hammerstein, geb. 1977, ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zeitgeschichte des Historischen Seminars der Universität Heidelberg.
Auszeichnungen u. a.: Junior Visiting Fellowship Award des Instituts für die Wissenschaften ...
mehrUlrich MählertUlrich Mählert, geb. 1968, ist seit 1999 Leiter des Arbeitsbereichs Wissenschaft bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
mehrJulie TrappeJulie Trappe, geb. 1972, studierte Rechtswissenschaften, war Lehrbeauftragte am Historischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und arbeitet seit September 2008 bei der Deutschen Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit in ...
mehrEdgar WolfrumEdgar Wolfrum, geb. 1960, Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg. Seit 2017 Wissenschaftlicher Leiter der »Forschungsstelle Antiziganismus« an der Universität Heidelberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen und ...
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