Nimmersatt
Dabei haßte er das Einkaufen. So selten wie möglich schob sich Jan Richter durch Fußgängerzone und Großmarkt. Es mußte sein. Mürrisch ließ er das Altglas in Beutel klirren. Schwerfällig stellte er seine Liste zusammen. Ergeben schulterte er den Rucksack,
andere müssen literweise Reformmilch einkaufen und Haufen von Windeln, man muß immer nach unten sehen. Asphalt und Hundekot und glibberig graugrüne Spuckebatzen. Das Einmannunternehmen zieht durch Straßen, lange Arme schwere Taschen. Jan Richter kann man aus dem Straßenbild ersatzlos streichen. Die Nachbarin riecht Wochen später einen toten Single in der Wohnung nebenan. Selbstmitleid ist stillos. Stil ist ihr Lieblingswort, so sieht Jutta auch aus. Im Alter aller meiner Tanten. Sowas grüßt man mit Herablassung im Treppenhaus. So eine Sekretärin ohne Anhang. So täuscht man sich, bis man in ihrer Wohnung über ihre Bilder staunt. Blinde sollen sehen. Aber was? Die Gegend hier lohnt keinen Blick. Alles besetzt, wohin auch die Augen fliehen wollten. Hier, im Schaufenster von Firma Badeparadies neben den Klobürsten aus Gold die Duschreklame, eine schöne Nackte aalt sich unterm Wasserstrahl. Das ist ein modernes Zitat der Venus von Botticelli. Man leiht sich den Reiz alter Bilder, um die neue Botschaft zu verkünden. Als Werbefuzzi weiß ich das. Weiß jeder. Mein Wissen ist gleichzeitig meine Ohnmacht, es legt sich grau über die schöne neue Venus. Da kann ja nichts mehr schiefgehen im Leben, wenn schon auf jedem Klopapierblatt danke steht. Was denn?