Gegen Ende der Ära Adenauer gewann die NS-Vergangenheit eine neue und unerwartete Aktualität. Den Auftakt bildete eine wachsende öffentliche Kritik an belasteten Richtern und Staatsanwälten. Es folgten die umstrittene Wiederaufnahme der gerichtlichen Ahndung von NS-Verbrechen und die Debatten über deren bevorstehende Verjährung. Die Analyse dieser vergangenheitspolitischen Kontroversen läßt nicht nur erkennen, welche Legitimationsdefizite der westdeutschen Demokratie aus der Reintegration der Täter erwuchsen. Sie bemißt zugleich Ausmaß und Grenzen jener politisch-moralischen Neuorientierung im Umgang mit der »unbewältigten Vergangenheit«, die sich in den sechziger Jahren vollzog.
Marc von Miquel schildert die politischen Initiativen, mit denen die personelle Kontinuität in der Justiz nachholend korrigiert werden sollte - und warum diese schließlich scheiterten. Die Geschichte der strafrechtlichen Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen seit Ende der fünfziger Jahre reicht von der Gründung einer zentralen Ermittlungsstelle in Ludwigsburg über die Verjährungsdebatten 1960, 1965 und 1969 bis zu den letzten Endes erfolgreichen Amnestiebemühungen aus den Reihen der Ministerialbürokratie und der Bundesjustiz. Am Ende dieser Studie steht ein ebenso eingehendes wie bedrängendes Bild jener moralischen Hypothek, die den Rechtsstaat Bundesrepublik jahrzehntelang belastete.
Marc von MiquelMarc von Miquel, geb. 1968, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschichtsort Villa ten Hompel, Münster. Nach dem Studium der Geschichte und Slavistik promovierte er an der Ruhr-Universität Bochum und war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Jüdischen ...
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