Hugo von Hofmannsthals Chandos-Brief erschien im Oktober 1902 erstmals in der Berliner Tageszeitung »Der Tag«. Dieser fiktive Text, gerichtet an den englischen Philosophen Francis Bacon (1561-1626), geschrieben von einem Philipp Lord Chandos, wurde bald zu einem der wichtigsten literarischen Texte Hugo von Hofmannsthals und zu einer Chiffre der »Sprachskepsis in Literatur und Wissenschaft«. Chandos klagt: »Es ist mir völlig die Fähigkeit abhanden gekommen, über irgendetwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen.« Und weiter: »Es zerfiel mir alles in Teile, die Teile wieder in Teile, und nichts mehr ließ sich mit einem Begriff umspannen.«
Klaus Detjen spürt diesen Klagen in seiner Gestaltung nach: Im gebundenen Teil der Edition wird der Text mit wechselndem Satzspiegel über alle Seiten ausgestreut, dabei eine vom Autor angesprochene »Leere« einkalkuliert und so der Eindruck vermittelt, dass die zusammenhängenden Partien nicht mehr ein Ganzes zu bilden vermögen, das Denken und die Sprache sind »in Teile zerfallen«. Hinzu kommen Muster und Figuren, die den Eindruck dieser Lesart unterstreichen und Gedankengängen und Phantasien des Lord Chandos nachzeichnen. Ein Leporello nimmt noch einmal den »Brief« in einer traditionell gesetzten Anordnung sowie die begleitenden Nachbemerkungen auf, der eingelegte Bogen erinnert in seiner physischen Präsenz an die Beschaffenheit von brieflichen Mitteilungen.
Klaus DetjenKlaus Detjen, geb. 1943 in Breslau, ist Typograf und Buchgestalter und lebt in der Nähe von Hamburg. Bis 2009 war er Professor für Typografie und Gestaltung an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Er ist Herausgeber und Gestalter der Reihen »Typographische ...
mehrHugo von HofmannsthalHugo von Hofmannsthal (1874–1929) war ein österreichischer Schriftsteller und Dramatiker und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne. Er veröffentlichte bereits mit 16 Jahren seine ersten Gedichte und lyrische Dramen. Sein ...
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