Das Jahr 1819 war für die Rezeption orientalischer Literatur in Deutschland entscheidend. Friedrich Rückert wagte in Wien den Schritt in die Orientalistik, und Goethes West-östlicher Divan erschien bei Cotta. Beide Dichter hatten in dem Wiener Gelehrten Joseph von Hammer ihren Lehrer. Denn seine kommentierte Übersetzung des persischen Dichters Hafis ebnete klassisch gebildeten Lesern den Weg: Wer Anakreon, Horaz und Properz kannte, der stieß in Hafis` Diwan überall auf Vertrautes. Rückert fand in der Restaurationszeit ein Sprachrohr im Sänger Hafis, der nicht nur den Liebesschmerz im Wein ertränkt, sondern damit in der Schenke gegen Sittenwächter aufbegehrt. Rückerts Oestliche Rosen bereiten den Liebesfrühling vor, und er ist stolz darauf, dass ihm die sprachliche Bändigung des Ghasels gelungen ist. Noch vor August von Platen hatte er zudem die Ghaselen des Mystikers Dschelaleddin Rumi für sich entdeckt. Bewegend trifft er den Ton, wie der Sufi nach Gotteserkenntnis bis zur Selbstaufgabe sucht, und er zeigt damit, dass dieser Absolutheitsanspruch dem Zeitalter des Idealismus nicht fremd ist und dass diese Religiosität unabhängig von Glaubenszugehörigkeit und Orthodoxie ist.
Rudolf KreutnerRudolf Kreutner, geb. 1954, von 1987 bis 2018 Kustos des Schweinfurter Rückertnachlasses und gemeinsam mit Hans Wollschläger
(† 2007) Mitbegründer der Rückert-Edition.
mehrFriedrich RückertFriedrich Rückert (1788-1866) galt seinerzeit als der bedeutendste Lyriker deutscher Sprache. Als Gelehrter und Übersetzer nah- und fernöstlicher Lyrik hat er der deutschen Sprache »einen Schatz geschenkt, den keine andere Sprache besitzt«. (Annemarie ...
mehrClaudia WienerClaudia Wiener, geb. 1964. Sie lehrt nach ihrer Promotion über Friedrich Rückert an der Ludwig-Maximilians-Universität München Klassische Philologie und war lange Jahre Herausgeberin der Rückert-Studien.
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